Meditation-Kontemplation-Aktion
Es ist 06:00 Uhr früh.
Ich sitze in der Küche mit einem Kaffee.
Ich lese die heutige Losung. Sie spricht mich heute nicht an.
Der Akkustand meiner Seele ist im roten Bereich – gefühlt unter 10%.
Wird es dem Heiligen Geist (HLG) heute gelingen mich neu zu füllen?
Ich habe meine Zweifel.
Ich suche die Verbindung zu meinem Geliebten.
Wird ER heute kommen?
„Jesus, ich brauche dich mehr als alles andere!“
Meditation:
Ich strecke mich aktiv nach IHM aus.
Ich reinige mich von jeglichen Sündenfusseln, die unsere Beziehung stören.
Ich suche IHN in seinem Wort, im Gebet, in der Stille, …
Es ist mühsam, wie das Wandern auf den Gipfel eines Berges, um den Sonnenaufgang zu erleben. Ich warte auf dem Gipfel, auf DEN Moment, aber es ist bewölkt. Es wird langsam hell, aber den Sonnenaufgang kann ich heute nicht erleben und bewundern.
Mein geistlicher Akku füllt sich trotzdem langsam aber stetig auf 60, 70, 80… %.
Ich gehe in die Schule und erlebe, wie die Begegnungen mit Menschen meinen Akku leer saugen.
Mittags wenn ich heimkomme, bin ich schon wieder im roten Bereich …
Eigentlich sehne ich mich nach einer Begegnung mit IHM, die mich wieder neu erfüllt,
aber ich hab noch soviel zu tun …
Kontemplation:
Ich habe mich auch heute morgen wieder aufgemacht und warte auf dem Gipfel.
Es ist wieder bewölkt. Langsam wird es hell.
Plötzlich passiert es, ganz unerwartet. Die Wolken reißen auf und ich erlebe einen strahlenden Sonnenaufgang. Ein unvergessliches, unbeschreibliches Erlebnis.
In einem Moment ist mein geistlicher Akku auf 100% gefüllt.
Mir wird der Unterschied klar zwischen Meditation und Kontemplation:
Ich kann mich vorbereiten, suchen, warten, … das ist meine Verantwortung, aber ich kann den Sonnenaufgang nicht bewirken. Das ist Gottes Teil. Ich meditiere, damit ich DEN göttlichen Moment = Kontemplation nicht verpasse.
Doch auch heute leert sich mein Akku in der Begegnung mit den Menschen.
Auch Jesus hat das gespürt, als eine Frau ihn berührte und Kraft von ihm floss. (Lk 8,40-48)
Ich frage mich, wie kann ich Kontemplation – gnädige Eingießung Gottes – im Alltag erleben, damit mein Akku möglichst beständig gefüllt bleibt.
Ist das möglich?
Texte von christlichen Mystikern aus allen Jahrhunderten stimmen mich hoffnungsvoll.
Ich lese heute morgen einen Text von Michael vom hl. Augustinus aus dem 17.Jh.
„Ist die Seele dem, der sie in fortwährender Liebe geliebt hat, ganz nahe,
so kann sie IHN in der Berührung mit den Geschöpfen umarmen, küssen und in Liebe umfangen, so oft sie nur möchte.
Denn sie begegnet IHM überall und in allem und weiß, dass der Liebste ihrer Seele ihr nicht einmal einen Moment entrissen werden kann.
Überall finde ich meinen Geliebten, überall begegnet mir mein Gott; ich kann alles, aber IHN nicht verlieren, und seine Gegenwart ist mir untrüglich.
Küsse ER mich also mit den Küssen seines Mundes. (Hld 1,2) Ich bin IHM ganz nah.
Nichts – nicht einmal ein Sündenfussel – steht zwischen mir und dem Geliebten, auch die Geschöpfe nicht, denn er hat sie ja ganz durchdrungen, und ich kann nichts mehr sehen, hören, riechen, schmecken oder tasten, ohne dass Gott mir so unmittelbar gegenwärtig ist, wie das Ding selbst, das ich sehe, höre, rieche, schmecke, berühre …
Ich fand den, der meine Seele liebt. Ich hielt IHN fest und will IHN nicht lassen (Hld 3,4), denn Du allein, mein Geliebter, genügst mir …
Solche eine Seele findet alles in Gott und Gott in allem; IHN umarmt sie liebevoll, und einzig IHN liebt sie.“
Ich möchte in dieser liebenden Umarmung, ganz fokussiert auf IHN im Alltag bleiben!
Ich bitte Jesus mir dabei zu helfen, mich darin zu lehren.
Ich fahre mit dem Mountainbike in die Schule und kommen an einem Sonnenblumenfeld vorbei.
Es ist Ende Oktober und ich wundere mich, dass es so spät im Jahr noch blühende Sonnenblumenfelder gibt.
Die meisten Sonnenblumen haben ihren Kopf „mühselig und beladen“ in verschiedene Richtungen gesenkt.
Da „zeigt“ mir der HLG eine einzige Sonnenblume, die senkrecht nach oben schaut und alle ihre Blütenblätter nach oben ausstreckt.
In einem „kontemplativen“ Moment gießt der HLG die Erkenntnis in mich ein, die sich tief in meine Seele einbrennt: „Mache es wie diese Sonnenblume! Bleibe in allem auf mich ausgerichtet. Es ist auch in deinem Alltag möglich in dieser innigen Verbundenheit, in meiner liebenden Umarmung zu bleiben. Mein göttliches Licht ist immer für dich da. Das ist es, was ich mir von dir wünsche.“
Kontemplative Momente im Alltag zu erfahren, ist auch heute möglich!
Daraus gespeist und so beseligt, dürfen alle meine Aktionen geschehen.
Maria (kontemplatives Leben) und Marta (aktives Leben) sollen sich verbinden.
(Vgl. Lk 10,38ff)