Wenn die Seele still wird, kann sie die Stimme Gottes besser hören.
Denn wie man nachts, wenn alle Dinge ruhen, Geräusche besser wahrnimmt und abends in den Bergen das Echo besser hören kann, so hört man auch das Reden Gottes in einer stillen Seele deutlicher.
Der göttliche Bräutigam sehnt sich danach, dass wir seine Stimme hören wollen und und unsere gemeinsamen Werke das Echo seiner göttlichen Eingebungen sind.

Nach diesem Echo verlangt der Bräutigam, wenn er zu seiner Braut sagt: „Lass mich deine Stimme hören, denn deine Stimme klingt wohl.“ Hld 2,14

Der himmlische Bräutigam ist sehr scheu. Wenn er sich mit einer liebenden Seele in Liebeskuss und Umarmungen vereinen will, so sucht er die Abgeschiedenheit der Einsamkeit. Das bemerkt die Braut des Hohenliedes, wenn sie sagt:
„Horch mein Geliebter! Siehe da kommt er, springt über die Berge, hüpft über die Hügel. Mein Geliebter gleicht einer Gazelle oder einem jungen Hirsch.“ Hld 2,8+9
Wenn du also den Liebsten deiner Seele finden willst, musst du ihn in der Einsamkeit suchen, denn dort verbirgt er sich, dorthin lädt er dich ein, dort wartet er auf dich, dort verlangt er nach dir…

In dieser Zweisamkeit ruht die geliebte Seele mit ihrem geliebten Gott im blumengeschmückten Bett des reinen und liebenden Herzens. Niemand soll diese Ruhe stören oder unterbrechen:
„Ich beschwöre euch, Jerusalems Töchter, was wollt ihr stören, was wollt ihr wecken die Liebe, ehe es ihr selbst gefällt!“ Hld 8,4; (vgl. auch Hld 2,7, 3,5)
Bleibt die Seele dem, den sie liebt ganz nahe, so kann sie IHN in der Berührung mit seinen Geschöpfen umarmen, küssen und in Liebe begegnen.
Überall findet sie ihren Geliebten, überall sieht sie ihn.
„Ich fand, den meine Seele liebt. Ich hielt ihn fest und will ihn nicht lassen.“ (Hld 3,4)

Es liegt der Seele ferne, traurig zu sein, wenn sie von den Küssen und Umarmungen des Geliebten entwöhnt wird, wenn die zärtliche Empfindung nachlässt, wenn sie aus der Einsamkeit in vielfältige Beschäftigungen des Alltags zurückgeführt wird, im Gegenteil:
Durch das vorausgegangene, innige Verschlungen Sein in Gott, durch ihr liebvolles Genießen Gottes fühlt sie sich gestärkt und zu Schwierigem ermuntert. Die zärtliche Liebe verändert sich in eine andere Liebe, die stark ist wie der Tod. (Vgl. Hld 8,6f)

Gerne entbehrt diese handelnde Liebe jeden Trost und jedes Empfinden einer Gunst, wenn die Braut nur in allem Gottes Willen und Wohlbehagen erwirken darf, in Süße oder Bitterkeit, in liebevollen Umarmungen wie in Verlassenheiten und Trauer, in Krankheit und Schmerzen …
Das ist der „Gewürzwein, der Most ihrer Granatäpfel …“ (Vgl. Hld 8,2) mit dem die Braut sein Herz noch mehr gewinnt und ihn trunken macht … und wie betört vor Liebe scheint er seine unendliche Majestät zu vergessen und geht ganz zärtlich und vertraut mit ihr um…
(inspiriert von Michael vom hl. Augustinus 1622-1684)