Auf dem Schoß des Meisters

“Die Mutter eines sechsjährigen Jungen hörte davon, dass ein berühmter Pianist in ihrer Stadt ein großes Konzert geben würde.Schon seit einiger Zeit nahm ihr Sprössling Klavierunterricht, für den er aber nicht mehr sonderlich begeistert war. Die Mutter kaufte zwei Karten für dieses Konzert, mit der Hoffnung, dass sich ihr Sohn dadurch wieder neu zum Klavierspielen begeistern ließe.

Als der Abend kam, verlief er so, wie ihn ein sechsjähriger Junge gewöhnlich empfindet.Das Konzert wurde von Kunst-Liebhabern in feiner Abendgarderobe besucht, und so musste auch er seine schönsten Kleider anziehen. Doch schon nach einigen Minuten quälte sich der Junge gähnend und gelangweilt auf seinem Sessel hin und her.Endlich kam die lang ersehnte Pause, in der das Publikum nach draußen strömte.Auch seine Mutter nahm in an die Hand, um aus der Sitzreihe herauszutreten.

Noch einmal sah der Junge sich zu der Bühne um, die jetzt verlassen dalag.Einsam stand der edle, blank geputzte Flügel da, wie der Junge noch nie einen zuvor gesehen hatte. Fasziniert von dem Gedanken, einmal selber diesem wunderbaren Instrument Töne entlocken zu können, zögerte er nur einen kurzen Moment.Dann entwand er sich schnell der Hand der Mutter, rannte geradewegs zur Bühne und schaffte es irgendwie, hinaufzuklettern. Noch war er von niemandem entdeckt worden, der Mutter aber stockte der Atem. Die Welt um ihn herum vergessend, fing der Junge nun an, jenes Klavierstück zu spielen, mit dem er seiner Leidenschaft am meisten Ausdruck verleihen konnte:  den Flohwalzer!!!

Sofort machte sich große Empörung im Publikum breit, und es erklangen laute Rufe wie:“Holen Sie das Kind von der Bühne!”, “Wem gehört dieser Bengel?” und “Kunstbanause!”Die Mutter bleich vor Schrecken, versuchte sich ihren Weg durch die Menge zu bahnen.So etwas hatte es noch nie gegeben!

 Natürlich blieb es auch nicht aus, dass der berühmte Pianist selbst hörte, was dort draußen vor sich ging. Ohne einen Augenblick zu warten, ergriff er seinen Frack und eilte im Laufschritt zur Bühne. Von der Situation fasziniert, erstarrte das Publikum.Wie würde wohl “Maestro” selbst die Würde der Musik verteidigen?Aber der Künstler beugte sich hinunter zu dem Jungen und flüsterte ihm ins Ohr:“Höre nur nicht auf zu spielen, Kleiner, du machst das super! Immer weiter so, höre nur nicht auf zu spielen!”Dann setzte der große Meister sich auf den Hocker, nahm den Kleinen auf seinen Schoß und legte seine großen Hände rechts und links neben die kleinen Hände des Jungen,und zusammen gaben sie ein großartiges Konzert.Die Wangen des Jungen glühten vor Freude und auch der Pianist hatte großen Spaß an diesem ungewöhnlichen Duett. Als die beiden Künstler gemeinsam das Stück beendeten, erhob sich ein zuerst zögerlicher, doch dann tosender Applaus!”  Inspiriert von  “Leben in der Liebe des Vaters” von Manfred Lanz  S. 113f.

Auf dem Schoß sitzen Kinder und Verliebte.
 Der Schoß ist ein Ort innigster Vertrautheit, Nähe und Geborgenheit.
 Der Vater will alle seine Kinder so nah wie möglich bei sich haben.
 Hier kommt das Herz zur Ruhe.
 Hier ist die Rebe ganz am Weinstock und es fließen Ströme lebendigen Wassers.
 Hier ist die Quelle eines fruchtbaren Dienstes.

Jesus hat uns diesen Lebensstil vorgelebt.
 Er war in der Zeit seines irdischen Lebens beständig im Schoß des Vaters.
 Johannes sagt wörtlich: “Der in des Vaters Schoß Seiende” (vgl. Johannes 1,18)
 und beschreibt damit, dass Jesus in allem was er tut, 
aufs Engste mit dem Vater verbunden bleibt.
 So macht er das Wesen des Vaters sichtbar und verherrlicht ihn.
 (vgl. auch Johannes 5, 19+20)

So wie Jesus als Sohn viel Zeit auf dem Schoß seines Vaters verbracht hatte
 und den Vater uns von dort kundgemacht hat,
 so haben auch wir das Vorrecht auf dem Schoß des himmlischen Maestros zu sitzen und wir dürfen von dort mit ihm gemeinsam jeden Tag ein großartiges Konzert geben.