„Jesus, es ist schon wieder total verwurstelt!“

Als ich als junge Lehrerin das erste Jahr an meiner Schule unterrichtete, bekam ich von meinem damaligen Schulleiter auch den Auftrag für Textiles Werken in einer vierten Klasse. Als Grundschullehrerin hat man ja alle Fächer zu unterrichten, auch wenn man sie nicht studiert hat. Schön und gut, nur: Da stand dann auch Häkeln auf dem Programm und gehäkelt hatte ich das letzte Mal in meiner eigenen Grundschulzeit. Es besteht doch ein gewisser Unterschied selbst zu häkeln und es einer ganzen Horde Kids gleichzeitig beizubringen, von denen noch dazu einige Linkshänder waren…. Ich fühlte mich gelinde gesagt, etwas ins kalte Wasser geworfen. Dennoch versuchten wir unser Bestes. Ich war damit beschäftigt, von Kind zu Kind zu gehen, nach dem Rechten zu sehen und zu unterstützen, wo es ging. Trotzdem liefen mir auch manche Kinder auf der Suche nach Hilfe hinterher. Gefühlt alle zwei Minuten stupste mich ein türkischer Junge von hinten an, schaute mich mit seinen großen schwarzen Augen an, streckte mir vertrauensvoll und hilfesuchend seine Hände mitsamt seinem Fadenwirrwarr entgegen und sagte schulterzuckend: „Frau K., es ist schon wieder total verwurstelt!“

Ich muss zugeben: Als junge und noch wenig erfahrene Lehrerin, fühlte ich mich damit etwas überfordert und genervt, dass er kaum dass ich es ihm wieder einigermaßen gerichtet und zurückgegeben hatte, mit den gleichen Worten zu mir kam: „Frau K., es ist  schon wieder total verwurstelt!“.  Und doch denke ich noch heute oft an diese Situation zurück.  Sie hat sich mir ins Gedächtnis gebrannt. Mir ist bewusst geworden, dass dieser Junge mit den großen schwarzen Augen, die mich vertrauensvoll und hilfesuchend anblickten, wissend, dass es allein nicht funktioniert, MICH etwas gelehrt hat:
Genauso, bei Bedarf alle zwei Minuten, dürfen wir Jesus anstupsen und ihm unsere Aufgaben, ja das Fadengewirr unseres Lebens voller Vertrauen hinhalten und sagen:
„Jesus, es ist schon wieder total verwurstelt!“
Und im Gegensatz zu mir damals ist Jesus weder genervt noch überfordert sondern hilft nur zu gern, sehr gerne auch alle paar Minuten.
Melanie K.