Fürchte Dich nicht, denn ich bin bei Dir!

„Und wenn ich auch wanderte auf dem dunklen Dachfirst…“

Es war am späten vergangenen Freitagabend, 13. Oktober 2023, gegen 22:00 Uhr. Bei geöffnetem Fenster – es hatte für Mitte Oktober auch so spät noch unglaubliche 25 Grad – hörte ich in der Stille der Nacht ein leises, aber unentwegtes Jammern einer Katze, die in der nachbarschaftlichen Dunkelheit vergeblich um Hilfe rief. 

Zwei Minuten später klingelte es an unserer Haustüre. Unser Nachbar stand an der Tür und war in Sorge und Angst um seine Katze. Er hatte ebenfalls gehört, wie sie nach ihm gerufen hatte, sie jedoch nicht gefunden – und nun wollte er zur Sicherheit nachfragen, ob sie sich vielleicht in unserem Kellerschacht oder unserer Gartenhütte verirrt hatte. Hatte sie nicht – und wo wir auch suchten, sie war wie vom Erdboden verschluckt. Was wir hörten, war ihre Stimme – von ihr fehlte weiterhin jede Spur.

Ungefähr 30 Minuten später, mit der Hilfe eines weiteren Nachbarn und dessen Taschenlampe – fanden wir die Quelle des leisen, aber anhaltenden nächtlichen Hilferufs: die Katze unseres Nachbarn stand am äußersten Ende eines dunklen, ca. 8 Meter hohen Dachfirsts.

Voller Neugierde und Tatendrang muss sie bis ganz dort oben emporgeklettert sein – und dann beim Blick in die Tiefe Angst bekommen haben, Angst davor, während des Abstiegs auszurutschen und in die Tiefe zu fallen. Also war sie auf dem First des Hauses stehen geblieben – und hatte begonnen, ohne Unterlass nach ihrem „Herrchen“ zu rufen. Und sie hatte es geschafft – sie hatte sich erfolgreich bemerkbar gemacht.

Gleichzeitig machte das die Lage nicht wirklich besser. Der Dachfirst war zu hoch, er war vollkommen unbeleuchtet und der aufkommende Wetterumschwung machte sich mit Windböen und einem ersten, kräftigen Regenschauer bemerkbar. Ein Anruf bei der Feuerwehr brachte ebenfalls keine Hoffnung. Was war zu tun?

Von einem Treppenaufstieg auf halber Höhe versuchte nun unser Nachbar, seine geliebte Katze zu rufen, sie mit „Leckerlis“ zu locken, ihr Mut zu machen, ihm zu vertrauen, dass sie es schaffen würde, alleine herunterzuklettern, während wir ihren Abstieg mit Taschenlampen auszuleuchten versuchten.

Und seine Stimme zeigte Wirkung: die Katze unternahm auf sein Rufen hin mehrere Anläufe, die steilen und mittlerweile klitschigen Dachziegel herunterzusteigen – um aber jedes Mal aufs Neue von ihrer Angst überwältigt zu werden und wieder umzukehren, zum scheinbar sicheren Dachfirst zurückzuklettern…

Die Zeit wurde langsam, aber sicher in Anbetracht des herannahenden dauerhaften Regens und des stärker werdenden Windes knapp.

Je länger wir im Dunkel der Nacht nach Optionen ringend zur Katze emporblickten, wurde immer deutlicher, dass es letztlich nur eine verbleibende Möglichkeit gab: unser – glücklicherweise bestens durchtrainierter – Nachbar musste selbst zum Dachfirst hinaufklettern und versuchen, seine geliebte Katze zu retten.

Als er von der eilends herbeigeholten Leiter auf das Dach des Hauses stieg, hielt ich den Atem an. Wenn er sterben würde, so seine letzten Worte zu mir vor dem Erklimmen des Hausdaches, sollten wir ihn mit Musik beerdigen. 

So langsam wurde es mir mulmig zumute…

Einige Momente später schwang sich unser Nachbar von der Leiter auf das Hausdach. Schritt für Schritt näherte er sich seiner Katze, die immer noch – ganz verängstigt – auf dem Dachfirst verharrte.

Jetzt kam es auf jede Bewegung an – ein Fehltritt, eine aufkommende Sturmböe verbunden mit einer kleinen Unachtsamkeit würde schwere, unumkehrbare Konsequenzen nach sich ziehen. Aber die Liebe zu seiner Katze hatte ihn dazu gebracht, diese nächtliche, gefährliche Rettungsaktion zu unternehmen.

Noch drei, dann zwei, dann eine langsame Bewegung – und unser Nachbar schnappte seine Katze gewandt am Nacken und nahm sie auf seinen Arm – um augenblicklich den gemeinsamen Abstieg in Angriff zu nehmen. Atemlos und gleichzeitig Applaus stiftendend, leuchteten wir ihren gemeinsamen Abstieg aus. 

Zwei Minuten später war es geschafft – Herrchen und Katze waren wieder erfolgreich vereint auf sicherem Boden angekommen. In seinen Armen war sie nun geborgen…ganz verängstigt, aber glücklich und froh, wieder „zu Hause“ und in Sicherheit zu sein.

Ungefähr 9 Stunden später waren wir auf dem Weg zum anstehenden LET in Bad Rotenfels (am Samstag, 14. Oktober 2023). Das Erlebte der Nacht beschäftigte mich immer noch – die Liebe unseres Nachbarn hatte ihn riskieren lassen, im Dunkel der Nacht auf den First eines 8 Meter hohen Hausdachs zu klettern – ohne Schuhe, unter hilfsdürftiger Beleuchtung und mit Hilfe unserer eigentlich zu kurzen Leiter…

Das LET am Morgen des 14. Oktober war wunderbar. Hartmut ermutigte uns mit vielen neuen Impulsen und Berichten von Erlebnissen mit Jesus und Geschichten aus seinem Buch „Herzblut“, begleitet von herzerwärmender Klaviermusik, einem tiefen Austausch und Gebet und toller Verköstigung durch ein befreundetes Ehepaar des Gebetshauses Bad Rotenfels. 

Und dann, gegen Ende des LETs – während eines weiteren berührenden Klavierstücks („Lege Deine Sorgen nieder“) – brachte Gott ganz leise in meinem Herzen zusammen, was er durch das Erlebte in der Vornacht und dem LET am heutigen Vormittag (zu mir) sagen wollte:

Er ruft mich und uns, ihm – gerade in Zeiten, in denen wir Sorgen haben – ganz zu vertrauen. Wir brauchen keine Angst zu haben, auch wenn uns ein Blick auf die Abgründe um uns herum ganz bange machen möchte. 

Er möchte uns Licht und Leuchte sein auf unserem Weg. Wir dürfen ihm glauben, dass wir durch ihn ein gelingendes Leben führen dürfen – Mut haben dürfen, zu ihm zu kommen und gerade, wenn wir Angst haben, „aus dem Boot zu steigen“ und seiner Stimme zu folgen. Wie damals Petrus auf dem See Genezareth.

Und sollte uns die Angst übermannen und wir nicht mehr ein noch aus wissen, kommt er selbst und rettet uns aus unserer Not – in seinen Arm dürfen wir sicher sein, seinen Herzschlag spüren, seine Liebe erleben und unsere aufgeschreckte Seele darf bei ihm zur Ruhe kommen.

Als Ausbildungslehrer an unserer Schule ermutigt Hartmut „seine“ Lehramtsstudenten gerne mit folgendem Bild, verbunden mit Vers 4 des Psalms 23:

„Und ob ich schon wanderte im finsteren Tal, fürchte ich kein Unglück; denn du bist bei mir.“

Und ob ich schon wanderte auf dem finsteren Dachfirst, so fürchte ich kein Unglück, denn Du bist bei mir, gibst mir Licht und Lebensmut, rettest mich, trägst mich auf Deinem Arm und bringst mich in Sicherheit.